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Was ist die wichtigste Lehre von Zeugen Jehovas? Ein Überblick. (Teil 1)

Inhaltsverzeichnis:

Beschäftigst du dich mit Fragen zu Zeugen Jehovas? Bist du selber ein Zeuge und suchst nach Antworten? Oder interessiert dich einfach, was es mit dem Lehrgebäude von Zeugen Jehovas auf sich hat? In diesem Beitrag hier möchte ich einmal aus meiner Sicht aufzeigen, welche Lehre für Zeugen Jehovas als Religionsgemeinschaft am wichtigsten ist.

Hier findest du die gesamte Playlist

Es geht dabei nicht um die Frage, welche Lehre jeder einzelne Zeuge als wichtigste ansieht. Hier erhält man in der Regel unterschiedliche Antworten. Dazu gehört z.B.:

  • Der Gebrauch des Gottesnamens Jehova
  • Die Rettung durch das Opfer Jesu
  • Der Glaube an ein Paradies auf der Erde
  • Die Streitfrage der Souveränität Gottes
    usw.

Was die genannten Lehren jedoch alle gemein haben, ist eine sehr bedeutende Sache, die den meisten Zeugen nicht wirklich vor Augen ist. Keine der Lehren entstammt einer persönlichen Bibelauslegung eines einzelnen Zeugen. Das komplette Lehrgebäude der Zeugen Jehovas kommt von einer kleinen Gruppe (aktuell acht Zeugen Jehovas), welche als die "leitende Körperschaft" bezeichnet werden.

1. Wie viel Einfluss hat die leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas?

Laut der Webseite der Zeugen Jehovas werden die Aufgaben dieser Gruppe wie folgt beschrieben:

Die leitende Körperschaft ist eine kleine Gruppe von erfahrenen Christen, die Jehovas Zeugen weltweit anleitet. Sie hat hauptsächlich zwei Aufgaben:

- Sie beaufsichtigt die Vorbereitung von Publikationen, Zusammenkünften und Schulungskursen im Rahmen des biblischen Bildungswerks von Jehovas Zeugen (Lukas 12:42).
- Sie organisiert die weltweite Tätigkeit von Jehovas Zeugen. Sie gibt Richtlinien für unser Predigen und überwacht die Verwendung von Spenden.

Die leitende Körperschaft hält sich an das Muster der „Apostel und der älteren Männer“ in Jerusalem, die damals im ersten Jahrhundert wichtige Entscheidungen für die ganze Christengemeinde trafen (Apostelgeschichte 15:2, 6). Die Mitglieder der leitenden Körperschaft sind aber – so wie die treuen Männer damals – nicht die Führer unserer Organisation. Sie erkennen an, dass Gott die Führung Jesus Christus anvertraut hat, und nehmen deswegen die Bibel als Maßstab für alle Entscheidungen (1. Korinther 11:3; Epheser 5:23).

Quelle: https://www.jw.org/de/jehovas-zeugen/faq-oft-gefragt/leitende-koerperschaft-und-helfer/

Auch wenn hier geschrieben steht, dass die Gruppe nicht die Führer der Organisation sind, so ist es doch ein Fakt, dass ausschließlich diese kleine Gruppe das Recht besitzt:

  • die Bibel auslegen zu dürfen
  • Glaubenslehren & Anwendung zu ändern, zu Begründen und zu definieren
  • Kein Zeuge Jehovas außerhalb dieser Gruppe besitzt dieses Recht

Ganz im Gegenteil ist es sogar Fakt, dass Zeugen Jehovas aus der Religion ausgeschlossen werden können, wenn sie die Lehren dieser kleinen führenden Gruppe nicht anerkennen. Wie der Wachtturm selber ausführt:

Eine anerkannte Mitverbundenheit mit Jehovas Zeugen erfordert, daß man die Gesamtheit der wahren Lehren der Bibel akzeptiert, einschließlich jener biblischen Glaubensinhalte, die nur Jehovas Zeugen vertreten. Um welche Glaubensinhalte handelt es sich dabei?

Daß sich die große Streitfrage, die die ganze Menschheit berührt, um die Rechtmäßigkeit der Souveränität Jehovas dreht und daß er deswegen schon so lange das Böse zuläßt (Hesekiel 25:17). Daß Jesus Christus eine vormenschliche Existenz hatte und seinem himmlischen Vater untergeordnet ist (Johannes 14:28). Daß es heute auf der Erde einen „treuen und verständigen Sklaven“ gibt, der ‘über alle irdischen Interessen Jesu’ gesetzt ist und mit der leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas verbunden ist (Matthäus 24:45-47). Daß das Jahr 1914 durch das Ende der Zeiten der Nationen und die Aufrichtung des Königreiches Gottes im Himmel sowie durch die Zeit für Christi vorhergesagte Gegenwart gekennzeichnet ist (Lukas 21:7-24; Offenbarung 11:15 bis 12:10). Daß nur 144 000 Christen den himmlischen Lohn empfangen werden (Offenbarung 14:1, 3). Daß Harmagedon, das sich auf die Schlacht des großen Tages Gottes, des Allmächtigen, bezieht, nahe ist (Offenbarung 16:14, 16; 19:11-21). Daß darauf Christi Tausendjahrherrschaft folgen wird, durch die weltweit das Paradies wiederhergestellt wird. Daß die ersten, die sich dessen erfreuen werden, die Glieder der heutigen „großen Volksmenge“ Jesu „anderer Schafe“ sind (Johannes 10:16; Offenbarung 7:9-17; 21:3, 4).

Quelle: https://wol.jw.org/de/wol/d/r10/lp-x/1986249 (Markierungen im Zitat von mir)
Nach dem aktuellen Verständnis der Zeugen Jehovas ist hier ein Update anzumerken: Die leitende Körperschaft wird mittlerweile mit dem "treuen und verständigen Sklaven" gleichgesetzt.

Anschließend kommt der Artikel zu dem Schluss:

Wenn ein Christ (der sich zum Glauben an Gott, an die Bibel und an Jesus bekennt) in reueloser Weise falsche Lehren fördert, kann es gemäß den dargelegten biblischen Mustern notwendig werden, ihn aus der Versammlung auszuschließen. 

Als Zeuge Jehovas bleibt einem also nur die Wahl:

  • Entweder alle Lehren als richtig anzunehmen
  • Oder "die Klappe zu halten" falls man Lehren für biblisch falsch hält

Entscheidet man sich dagegen und vertritt (hoffentlich aus Liebe zur Wahrheit) öffentlich eine andere Lehrmeinung, dann folgt unweigerlich der sogenannte öffentliche "Gemeinschaftsentzug". Eine abweichende Lehrmeinung ist nach Ansicht der leitenden Körperschaft also immer falsch oder verrät angeblich immer schlechte Motive! Andere Möglichkeiten haben im Denken der Gruppe scheinbar keinen Platz.

Ein Zeuge, der sich so verhält verliert damit in den meisten Fällen alle seine sozialen Kontakte. Bisherige Freunde und sogar die eigene Familie werden den Kontakt abbrechen. Warum? Auch hierzu gibt es eine Auslegung der leitenden Körperschaft, welche von Zeugen beachtet werden muss und nicht öffentlich angezweifelt werden darf. 

Interessant ist die Formulierung "Wenn ein Christ in reueloser Weise ... falsche Lehren fördert". Der Abweichler soll im Grunde:

  • bereuen, dass er bestimmte Lehren aus der Bibel anders verstanden hat
  • und einsehen, dass seine Meinung falsch sein muss - da sie ja nicht die Meinung der leitenden Gruppe entspricht

Hier wird also sehr deutlich, wie weit die Macht dieser leitenden Gruppe der Zeugen Jehovas geht. Ein aktuelles Beispiel hierzu ist Rolf Furuli, ein norwegischer Zeuge Jehovas, welcher über Jahrzehnte hinweg einer der größten Verteidiger bestimmter Lehren der Zeugen Jehovas war (z.B. der 607/1914-Lehre). Mit nun 76 Jahren kam er zu dem Schluss, dass die Lehre des "treuen und verständigen Sklaven" biblisch nicht haltbar ist. Er veröffentlichte dies in einem Buch, verteidigte darin aber fast alle anderen Lehren, welche Zeugen Jehovas auszeichnen.

Trotzdem wurde auch mit einem Gemeinschaftsentzug "bestraft". Man sieht also, dass auch im Jahr 2020 keine von der Führung abweichende Meinung geduldet wird. Ganz im Gegenteil steigt in dem wöchentlichen Lehrprogramm die Frequenz an Warnungen vor solchen abweichenden, abtrünnigen Gedanken oder Personen.

Wie kommt es aber überhaupt dazu, dass Zeugen Jehovas weltweit diese Autorität einfach als richtig akzeptieren?

2. Der treue und verständige Sklave

Nach aktueller Lehre (und die war nicht immer so) wird geglaubt, dass Jesus im Jahr 1919 eine Gruppe autorisierte und ihr die  Führung des Volkes Gottes auf der Erde anvertraut hat. Das ist natürlich eine krasse Annahme und wer so einen Anspruch erhebt sollte diesen wasserdicht belegen können. Ohne Beleg müsste man so eine Aussage eher als wahnhaft einstufen und sich um denjenigen ernsthafte Sorgen machen.

Diese Gruppe wird aus der Bibel - Matthäus 24:45-47 abgeleitet. In diesem Text wird von einem "treuen & verständigen" Sklaven, oder je nach Bibelübersetzung einem "treuen und klugen Knecht" gesprochen. Die meisten Christen sehen dies einfach als Gleichnis. Zeugen Jehovas jedoch erkennen hier eine Prophezeiung, welche sich an Ihrer Führung erfüllt haben soll.

Tatsächlich ist diese Prophezeiung alleine jedoch nicht ausreichend, um diese Gruppe zu belegen. Man braucht folgende drei Schritte:

2.1. Mat 24 - den treuen & verständigen Sklaven

Es muss die Voraussetzung erfüllt sein, dass diese Bibelpassage überhaupt eine Prophezeiung ist.
Andernfalls hat die leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas Ihre Autoritätsansprüche  zu unrecht.
Diese Passage wird in dem nächsten Artikel aus dieser Reihe hier genauer untersucht.

2.2. 1914 - der Beginn der Zeit des Endes

Es muss bestimmt werden können, wann die Zeit des Endes beginnt, in welcher aus Sicht der Zeugen Jehovas dieser "Sklave" von Jesus ernannt würde.
Hier kommen Bibeltexte aus Lukas 21 und Daniel 4 ins Spiel. Auf diese Passagen werden spätere Artikel genauer eingehen.
Falls diese Bibelpassagen falsch verstanden wurden, hat die leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas Ihre Autoritätsansprüche  zu unrecht.

2.3. 1919 - die Einsetzung des angekündigten Sklaven durch Jesus

Sobald man die Zeit des Endes kennt, muss es ein Merkmal geben, an welchem die Einsetzung dieses "Sklaven" durch Jesus erkennbar wäre. Hierfür wird eine Prophezeiung als Offenbarung 11 (Stichwort zwei Zeugen) genutzt und auf Ereignisse zwischen 1914 und 1919 angewandt, welche die damlige Führung der Zeugen Jehovas erlebte.
Falls diese Bibelpassagen falsch verstanden wurden, hat die leitende Körperschaft der Zeugen Jehovas Ihre Autoritätsansprüche  zu unrecht.

3. Eine genaue Prüfung erforderlich?

Ist es nun wichtig, diese biblischen Lehren zu prüfen? Ja. Es gibt ja schließlich zwei mögliche Resultate:

  1. Die Lehre ist korrekt und es gibt eine von Jesus eingesetzte Vertretung mit besonderer Autorität
  2. Die Lehre ist falsch und jeder einzelne Zeuge wäre damit verpflichtet selber das komplette Lehrwerk zu prüfen, welches ihm durch diese Gruppe erstellt wurde.

In Römer 14:12 heisst es:

So wird also jeder von uns für sich selbst Gott Rechenschaft geben.

Dieser Text ist umso wahrer, falls das Ergebnis der Prüfung Punkt 2 wäre. Wenn Gott nicht über eine besondere Gruppe von wenigen Männern seine Wahrheit verbreitet, dann wäre es wahrscheinlich falsch darauf  zu warten, dass er sich das irgendwie nochmal überlegt - und die Gruppe doch noch irgendwann benutzt.

Genauso gut könnte ich behaupten ich warte darauf, dass Jehova meinem gläubigen und treuen Kumpel Christoph im Nachbarort künftig mal die biblische Wahrheit offenbart. Und so lange würde ich einfach genau das tun was Christoph sagt. Das sagt doch jeder, das wäre Blödsinn.

Wenn Gott nicht die 8 Männer der leitenden Körperschaft speziell gebraucht um biblische Wahrheiten zu offenbaren, und auch nicht meinen Kumpel Christoph ... dann gilt Römer 14:12. Ich muss meine Bequemlichkeit beiseite legen und die Lehren der Bibel einmal ganz genau prüfen. Das ist nicht leicht ... aber nach Jesu Zusage sind wir ja nicht ohne Hilfe: 

Joh 16:13 Wenn aber der Geist der Wahrheit kommt, hilft er euch dabei, die Wahrheit vollständig zu erfassen[2].