Wie hat sich der Glaube an Gott und die Wissenschaft eigentlich über die letzten 300 Jahre verändert? Und warum? Stell Dir vor: Vor 300 Jahren glaubten fast alle Europäer an Gott. Und heute?
Vor rund 300 Jahren war der Großteil der europäisch geprägten Welt tief im Glauben an Gott verwurzelt. Ein interessanter Kontrast zur heutigen Realität: Laut einer Statista-Umfrage von 2021 glauben nur noch 38 Prozent der Deutschen an Gott. Dieser Wandel spiegelt nicht nur einen gesellschaftlichen, sondern auch einen tiefgreifenden ideologischen Umbruch wider. Welche philosophischen, wissenschaftlichen und sozialen Entwicklungen haben diese Veränderung hervorgerufen? (Im Video gehen wir übrigens genauer auf die Punkte ein, die im folgenden Text skizziert werden).
1. Die Macht der Vernunft: Ein Hoch auf die Aufklärung!
Im 18. Jahrhundert war die Wissenschaft total auf dem Vormarsch. Forscher wie Isaac Newton hatten schon beeindruckende Dinge herausgefunden, aber dann kam die Aufklärung. Philosophen meinten, die Vernunft und Wissenschaft könnten die Religion als Autoritätsquelle ablösen. Nach den ganzen religiösen Konflikten und Kriegen (erinnert sich jemand an den Dreißigjährigen Krieg?) waren viele Europäer mehr als bereit für einen Perspektivwechsel.
1.1. David Hume: Mr. Skeptiker tritt auf
David Hume, ein schottischer Philosoph, war skeptisch gegenüber Wundern und meinte, dass diese den Naturgesetzen widersprächen.
“Ein Wunder ist eine Verletzung der Naturgesetze. Da nun eine feste und unveränderliche Erscheinung diesen Gesetzen zu Grunde liegt, so ist der Beweis gegen das Wunder aus der bloßen Natur der Tatsache so stark, wie irgend ein der Erfahrung entnommener Beweis, nur gedacht werden kann.” https://www.textlog.de/hume_untersuchung_11-3
Er glaubte, dass der Glaube an Gott keine solide Basis in der Vernunft hätte, weil man Gott nicht einfach mit den fünf Sinnen beobachten könne.
“Hieraus ergibt sich, dass überhaupt die christliche Religion nicht bloß im Anfange von Wundern begleitet war, sondern dass sie auch heutiges Tages von Niemand ohnedem geglaubt werden kann. Die bloße Vernunft vermag nicht, uns von ihrer Wahrheit zu überzeugen, und wen der Glaube bestimmt, ihr beizustimmen, der ist sich eines fortwährenden Wunders in seiner Person bewusst, welches alle Regeln seines Verstandes umstößt und ihn treibt, gerade das zu glauben, was der Gewohnheit und Erfahrung am meisten widerspricht.” https://www.textlog.de/hume_untersuchung_12-6
1.2. Auguste Comte: Drei Phasen des Wissens
Im 19. Jahrhundert behauptete Auguste Comte, dass die menschliche Erkenntnis in drei Phasen verläuft: theologisch, philosophisch und wissenschaftlich. Für ihn war echtes Wissen nur wissenschaftlich – alles andere war Aberglaube.
Comte zufolge erlangt der Mensch erst dann wirkliches oder "positives" Wissen, wenn er solche Aberglauben und Abstraktionen ersetzt und Naturphänomene durch Bezugnahme auf Naturgesetze oder streng materielle Mechanismen erklärt.6 Auf diese Weise säkularisierte (aus religiöser Bindung lösen) er zwei der theologischen Metaphern - die Natur als Mechanismus und ein gesetzmäßiges Reich -, die zuvor die theistische Inspiration für die Ausübung der Wissenschaft zum Ausdruck gebracht hatten.(Return of the God Hypothesis - Stephen C. Meyer)
1.3. Zweifel an der Existenz Gottes
Immanuel Kant und andere Philosophen stellten die traditionellen Argumente für die Existenz Gottes in Frage. Kant hielt es für möglich, dass das Universum ewig und selbstexistent sein könnte, und argumentierte gegen die Vorstellung einer notwendigen ersten Ursache (cosmological argument), die von Theisten traditionell als Gott angesehen wurde. Das kosmologische Argument, dass das Universum eine erste Ursache braucht (Gott), und das Design-Argument, dass komplexe Dinge in der Natur auf einen Designer hinweisen, wurden also kritisch hinterfragt.
1.4. Charles Darwin: Evolution statt Schöpfung
Dann trat Darwin kam mit seiner Evolutionstheorie auf den Plan und erklärte, dass die biologischen Organismen durch natürliche Selektion entstanden sind, ohne dass ein intelligentes Wesen dahinterstecken muss. In "Über die Entstehung der Arten" argumentierte Darwin, dass lebende Organismen - die bis dahin als das offensichtlichste Beispiel für Gottes schöpferische Macht galten - nur scheinbar konstruiert sind.
Darwin schlug einen konkreten Mechanismus vor, die natürliche Auslese, die auf zufällige Variationen einwirkt, der die Anpassung der Organismen an ihre Umwelt (und andere Belege für offensichtliche Gestaltung) erklären könnte, ohne eine intelligente oder lenkende Instanz zu bemühen.
1.5. Materialismus / Physikalismus: Die Natur erklärt sich selbst
Im 19. Jahrhundert erklärten Wissenschaftler wie Laplace und Lyell bestimmte Naturphänomene erfolgreich ohne göttliches Zutun. Alles basierte auf natürlichen Prozessen und Gesetzen.
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Laplace versuchte die Entstehung des Sonnensystems nicht wie Newton als Produkt des Entwurfs "eines intelligenten und mächtigen Wesens" zu erklären, sondern als Ergebnis rein natürlicher Gravitationskräfte.
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In der Geologie erklärte Charles Lyell die Entstehung der dramatischsten topografischen Merkmale der Erde - Gebirgszüge und Canyons - als das Ergebnis langsamer, allmählicher und völlig naturalistischer Veränderungsprozesse.
Meyer stellt in seinem Buch fest, dass aber speziell folgende drei brillianten Denker unser heutiges Weltbild maßgeblich beeinflusst haben.
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In der Wirtschafts- und Sozialphilosophie: Hier brachten der dialektische Materialismus von Karl Marx und seine darauf basierende utopische Zukunftsvision ein zutiefst deterministisches und materialistisches Verständnis der menschlichen Natur zum Ausdruck. Marx betrachtete die Religion als ein Opiat, das von der bürgerlichen Elite verbreitet wurde, um die Arbeiterklasse für ihre Ausbeutung zu betäuben.
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Psychologie: Hier formulierte Sigmund Freud eine komplexe Charakterisierung der menschlichen Psyche, in der er die verschiedenen Elemente und Motivationen des Geistes auffallend deterministische beschrieb. Er glaubte, die Menschen hätten den Mythos eines wohlwollenden Gottes erfunden, um eine tröstende Vaterfigur als psychologische Krücke zu haben, die schwierige Beziehungen kompensiert.
- Charles Darwin: Wie bereits erwähnt prägte seine Evolutionstheorie die Betrachtung der Natur maßgeblich bis in unsere Gegenwart.
2. Resümee: Glaube und Wissenschaft – eine komplexe Beziehung
Der Neodarwinismus und andere Theorien zeigen uns eine Welt ohne göttliche Absicht. Aber nur weil die Wissenschaft das so sieht, heißt das nicht, dass eine Gottheit unmöglich ist. Selbst Atheisten wie Dawkins und Nye sagen, dass die Wissenschaft die Existenz Gottes nicht kategorisch ausschließen kann.
Und nun? Der Glaube und die Wissenschaft haben sich gewandelt. Am Anfang standen sie in einer engen Verbindung, doch mit der Zeit entwickelten sie sich auseinander. Heute ist die Wissenschaft meist ohne Gott unterwegs – aber bedeutet das, dass Gott nicht existiert?
Das ist eine Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss, deren Logik wir in den nächsten Teilen aber genauer untersuchen werden. Also schau oder lies weiter und prüfe für dich selbst die Plausibilität vorherrschender oder alternativer Denkmuster!
2.1. Quellen:
- Return of the God Hypothesis - Stephen C. Meyer https://amzn.to/3OlAsKj
- https://www.returnofthegodhypothesis.com/extendedresearchnotes
- https://de.statista.com/infografik/24308/anteil-der-befragten-in-deutschland-die-sich-als-glaeubig-bezeichnen/
- https://de.wikipedia.org/wiki/Physikalismus_(Ontologie)
- https://de.wikipedia.org/wiki/David_Hume
- https://www.textlog.de/hume_untersuchung_11-3 David Hume "Dialogen über die natürliche Religion” (1779)
- https://en.wikisource.org/wiki/Dialogues_Concerning_Natural_Religion
- https://de.wikipedia.org/wiki/Auguste_Comte
- https://en.wikipedia.org/wiki/Kalam_cosmological_argument
- https://de.wikipedia.org/wiki/Immanuel_Kant
- https://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Darwin