Woher stammen eigentlich die Naturgesetze? Und vor allem: Woher kommt die Bezeichnung "Naturgesetze"? Diese Fragen berühren nicht nur die Domäne der Naturwissenschaften, sondern auch tiefgreifende metaphysische und theologische Aspekte. Bemerkenswert ist dabei, wie eng die Ursprünge der modernen Wissenschaft mit dem christlich-jüdischen Weltbild verknüpft sind.
In dieser Reise durch die Zeit wollen wir uns drei zentrale Metaphern anschauen, die den Weg zur modernen Wissenschaft geebnet haben: das Buch der Natur, das Uhrwerk und schließlich das Konzept des Naturgesetzes.
1. Das Buch der Natur – Ein Blick in die Vergangenheit
Stell dir vor, die Welt ist ein riesiges Buch, geschrieben vom größten Autor aller Zeiten: Gott selbst. Diese Idee kam von Basilius dem Großen im 4. Jahrhundert. Er meinte, dass wir, ähnlich wie beim Lesen eines Buches, durch die Natur Gottes Weisheit erkennen können.
"Wir sind nach dem Bild und Gleichnis unseres Schöpfers geschaffen und mit Verstand und Vernunft begabt, so dass unsere Natur vollkommen ist und wir Gott erkennen können. Auf diese Weise konnten wir, indem wir ständig die Schönheit der Geschöpfe betrachteten, durch sie hindurch, als wären sie Buchstaben und Worte, Gottes Weisheit und Vorsehung über alle Dinge lesen. " Basil of Caesarea, Homilia de Gratiarum Actione, 2 (PG 31, 221C–224A), cited in Tanzella-Nitti, “The Two Books Prior to the Scientific Revolution.”
Andere Theologen wie Augustinus und Thomas von Aquin liebten diese Metapher auch. Sie verbanden das christlich-jüdische Weltbild mit der Natur, so wie Psalmen und Römer im Neuen Testament es beschreiben.
Seit Erschaffung der Welt wird nämlich seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit. Daher sind sie unentschuldbar. (Die Bibel: Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Röm 1,20–21.)
2. Die Uhrwerk-Natur – Ein Mechanisches Wunder
Jetzt springen wir ins Zeitalter der wissenschaftlichen Revolution. Stell dir die Natur als eine riesige Uhr vor, die präzise von einem göttlichen Uhrmacher eingestellt wurde. Die Metapher des Uhrwerks ergab sich aus den Fortschritten in der Technologie jener Zeit: Uhren wurden komplexer und genauer. So wie ein Uhrmacher eine Uhr konzipiert, so stamme auch die Natur von einem intelligenten Designer ab.
Robert Boyle sah in dieser mechanischen Betrachtung tatsächlich einen "mächtigen Verbündeten für die Religion". Er fand das wissenschaftliche Studium der Mechanismen der Natur genauso wichtig wie das Studium der Bibel.
Noch bekannter ist Isaac Newton. Newtons Gesetze der Bewegung und das Gravitationsgesetz zeigten, dass die komplexen Bewegungen der Himmelskörper wie Räder in einer hochpräzisen Uhr funktionieren. Man kann also verstehen, dass die Metapher des Uhrwerks oft auf die Natur bezogen wurde. Jede Generation hat eben für Ihre Zeit passende Vergleiche.
Diese Analogie des Uhrwerks prägte damals ein mechanistisches Verständnis der Natur und regte gleichzeitig eine systematische Erforschung und Erklärung von Naturphänomenen an. Das war eine der Triebfedern der wissenschaftlichen Revolution. Ein wichtiger Übergang von mittelalterlichen magischen Denken zu einer empirischen und mechanistischen Weltsicht.
3. Naturgesetze - Ursprung des Begriffs
Jetzt kommen wir zu einem großen Wendepunkt: der Idee der Naturgesetze. Naturphilosophen wie Boyle und Newton sahen die Welt als einen Ort voller göttlicher Gesetze. Dieser Begriff entstand fast parallel zur Uhrwerksmetapher und ist untrennbar mit ihr verbunden.
Die Sichtweise stammt aus dem jüdisch-christlichen Glauben, der von einem geordneten Universum unter der Herrschaft eines einzigen Gottes ausgeht.
Stephen Meyer beschreibt hierzu:
„Die Metapher der Naturgesetze ist Ausdruck eines jüdisch-christlichen Verständnisses in der Beziehung zur dem göttlichen Gesetzgeber, der die Existenz der natürlichen Welt aufrecht erhält und für ihr geordnetes Funktionieren sorgt.“
Die Griechen und Römer hatten diese interessanterweise Idee nicht. Erst durch des christlichen Einflusses in der westlichen Welt entstand im 16. und 17. Jahrhundert das Konzept der Naturgesetze. So tauchte der Begriff "Naturgesetze" in den Schriften von Philosophen und Wissenschaftlern wie Bacon, Descartes, Kepler, Christiaan Huygens, Richard Hooker, Boyle und Newton auf, um natürliche Regelmäßigkeiten zu beschreiben. Dies führte zu einer stärkeren Betonung der empirischen Beobachtung und Mathematik in der Wissenschaft.
Was war der Grund dafür, dass man vorher nicht auf diese Idee kam? Animisten, Polytheisten und Pantheisten glaubten an die Existenz vieler Geister oder Götter. Jeder von denen konnte aber auf unterschiedliche Weise mit der Natur interagieren. Damit hatten sie keinen Grund zu der Annahme, dass die Naturphänomene gleichförmig und geordnet sind.
Die antiken Hebräer glaubten, wie Calvin es ausdrückte, dass
"das Universum von einem einzigen Gott regiert wird und nicht das Produkt der Launen vieler Götter ist, von denen jeder seine eigene Provinz nach seinen eigenen Gesetzen regiert".
Calvin identifizierte, wie viele Historiker und Wissenschaftsphilosophen, diesen Glauben an einen ordnungsliebenden monotheistischen Gott als "die historische Grundlage der modernen Wissenschaft".
4. Zusammenfassung und Moderne Perspektive
Die Grundlagen des christlich-jüdischen Glaubens spielten also eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der modernen Wissenschaft. Aber wie sind wir von Newton zu heutigen Denkern wie Richard Dawkins gekommen, die eine weniger göttliche Sicht auf die Natur haben? Stephen Meyer, ein Wissenschaftshistoriker und Philosoph, untersucht diese Frage.
Er argumentiert, dass die Wissenschaft einst stark von religiösem Glauben beeinflusst war, sich aber im Laufe der Zeit verändert hat.
Vielleicht ist die Geschichte der Wissenschaft ein ständiger Dialog zwischen Glauben und Beobachtung, ein Tanz zwischen dem, was wir sehen, und dem, was wir glauben. Von den alten Griechen bis zu modernen Wissenschaftlern, die Debatte geht weiter.