Wie Millionen von Fans wissen, haben die Marvel Studios kürzlich ihren neuesten Superhelden-Blockbuster Doctor Strange in the Multiverse of Madness veröffentlicht. Wie frühere Marvel-Filme spielt auch dieser Film in einem zusammenhängenden Netz von Paralleluniversen, dem sogenannten "Multiversum".
Aber was genau ist eigentlich das Multiversum? Weshalb ist die Idee so populär? Reicht ein Universum nicht aus?
Interessanterweise wurde die Idee des Multiversums von seriösen Wissenschaftlern ins Leben gerufen. Speziell die "Viele-Welten-Interpretation" der Quantemechanik würde laut dieser Wissenschaftler zur Folge haben, dass jedes mögliche Ereignis, das in unserem Universum hätte stattfinden können, in einem anderen Paralleluniversum stattgefunden hat (oder gerade stattfindet). Das Konzept des Multiversums impliziert also verrückterweise, dass eine Kopie von jedem von uns in unendlich vielen anderen Universen existiert. Diese Kopien würden unter unendlich vielen anderen Umständen existieren.
Die Viele-Welten-Interpretation (VWI; von englisch many-worlds interpretation, Abk.: MWI) ist in der Physik eine Interpretation der Quantenmechanik. Sie geht ursprünglich auf den US-amerikanischen Physiker Hugh Everett III. zurück und grenzt sich in ihrem grundlegenden Ansatz deutlich von der traditionellen Kopenhagener Deutung (Bohr/Heisenberg) ab.[1] Andere Namen sind Everett-Interpretation, EWG-Interpretation (Everett/Wheeler/Graham), Theorie der universellen Wellenfunktion, Viele-Vergangenheiten-Interpretation, Viele-Welten-Theorie oder schlicht Viele-Welten. https://de.wikipedia.org/wiki/Viele-Welten-Interpretation
1. Weshalb ist die Multiversum-Idee so populär?
Die Theorie klingt wirklich eher nach Fringe, Dr. Strange oder anderen Produkten der menschlichen Fantasie. Wie kann es sein, dass viele Wissenschaftler dieser Theorie solche Aufmerksamkeit zukommen lassen?
In der Physik hat das Multiversum Anhänger gewonnen, weil es ein ansonsten unerklärliches Mysterium zu erklären scheint, das als "Feinabstimmung" bekannt ist. Dies bestätigt ganz offen der bereits genannte Wikipedia-Artikel:
Neben der traditionellen Kopenhagener Interpretation gibt es auch heute noch ein starkes Interesse an der Viele-Welten-Interpretation, obgleich Einwände weiterhin kontrovers diskutiert werden.[2] Es finden sich viele Befürworter, insbesondere im Bereich der Quantenkosmologie und der in den 1980er und 1990er Jahren entwickelten Quanteninformation. Zu den bekannteren Vertretern der Viele-Welten-Interpretation gehören der israelische Physiker David Deutsch und der deutsche Physiker Dieter Zeh, einer der Begründer der Dekohärenztheorie. Nach Zeh besteht aus empirischer Sicht ein Vorzug der VWI darin, dass sie die a priori sehr unwahrscheinliche „Feinabstimmung“ der Naturkonstanten, die Leben im Universum erst möglich gemacht hat, plausibel erklären könne, ohne auf ein starkes, zielgerichtetes anthropisches Prinzip zurückgreifen zu müssen, das an den Plan eines intelligenten Schöpfergottes erinnere und damit religiös gefärbt und nicht naturwissenschaftlich sei (Intelligent Design). Nach der VWI ist die Tatsache, dass unser Zweig des Multiversums trotz der extrem geringen Wahrscheinlichkeit intelligentes Leben ermöglicht hat, einfach nur darauf zurückzuführen, dass in vielen der unzähligen anderen Zweigen des Everett'schen Multiversums, die diese Voraussetzungen nicht bieten, keine intelligenten Lebewesen existieren, die sich diese Frage überhaupt stellen können. Wir leben also deshalb in einer lebensfreundlichen Welt, weil wir uns in den vielen lebensfeindlichen Welten, die es demnach ebenso gibt, nicht hätten entwickeln können (schwaches anthropisches Prinzip).[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Viele-Welten-Interpretation
Link Tipp zum Thema "Ist Intelligent Design religiös Motiviert"
2. Was hat es mit der Feinabstimmung auf sich?
Seit den 1960er Jahren ist der Wissenschaft klar, dass die physikalischen Gesetze und Parameter unseres Universums entgegen aller Wahrscheinlichkeit so unglaublich präzise abgestimmt wurden, dass unser Universum die Voraussetzung für Leben bietet. Selbst minimale Änderungen in einer beliebigen Naturkonstante - wie z.B. der Expansionsrate des Universums, Stärke der Schwerkraft, des Elektromagnetismus oder die Massen der Elementarteilchen - würden die Existenz von Leben unmöglich machen.
Physiker bezeichnen diese vielen zufälligen Faktoren als "kosmologische Feinabstimmung" (https://de.wikipedia.org/wiki/Feinabstimmung_der_Naturkonstanten), auch wenn der Begriff kontrovers diskutiert wird, da er direkt ein teleologisches (zielorientiertes) Prinzip impliziert. Viele Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass diese unwahrscheinliche Feinabstimmung auf einen "Feinabstimmer" hinweist - ein höchstes Bewusstsein, einen intelligenten Schöpfer, welcher physikalische Parameter gezielt festgelegt hat.
So argumentierte der ehemalige Astrophysiker Sir Fred Hoyle von der Cambridge University:
"Eine Interpretation der Fakten mit gesundem Menschenverstand legt nahe, dass ein Superintellekt an der Physik, der Chemie und der Biologie herumgepfuscht hat und dass es in der Natur keine blinden Kräfte gibt, über die es sich zu reden lohnt." http://hyperphysics.phy-astr.gsu.edu/Nave-html/Faithpathh/Hoyle.html
Um diese Schlussfolgerung zu vermeiden, haben sich einige Physiker auf das Multiversum versteift. Es gäbe also einen übergeordneten Mechanismus, welcher unendlich viele Universen ausspuckt - und in einem dieser ja unendlich vorhandenen Universen werden die Bedingunen dann passen, dass der Zufall Leben hervorbringt.
Nochmal ... weshalb favorisiert man diese Theorie?
Der Stanford-Physiker Leonard Susskind erklärt die Anziehungskraft des Multiversums folgendermaßen:
Ohne eine Erklärung für die Feinabstimmung der Natur werden wir kaum in der Lage sein, den ID-Kritikern zu antworten." https://uncommondescent.com/intelligent-design/interview-with-lenny-susskind/
Damit ist das Multiversum die bevorzugte atheistische Erklärung für den Aufbau des Universums.
3. Zwei Probleme mit dem Multiversum
Was man hierbei jedoch in Betracht ziehen solle ist Folgendes:
3.1. Erstens Ockhams Rasiermesser
Was hat es damit auf sich?
Ockhams Rasiermesser – auch Prinzip der Parsimonie, lex parsimoniae oder Sparsamkeitsprinzip – ist ein heuristisches Forschungsprinzip aus der Scholastik, das bei der Bildung von erklärenden Hypothesen und Theorien höchstmögliche Sparsamkeit gebietet. Das nach Wilhelm von Ockham (1288–1347) benannte Prinzip findet seine Anwendung in der Wissenschaftstheorie und der wissenschaftlichen Methodik. Vereinfacht ausgedrückt besagt es:
Von mehreren möglichen hinreichenden Erklärungen für ein und denselben Sachverhalt ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.
Eine Theorie ist einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen und Hypothesen enthält und wenn diese in klaren logischen Beziehungen zueinander stehen, aus denen der zu erklärende Sachverhalt logisch folgt.
Nach dem Oxford-Philosoph Richard Swinburne ist die Theorie vom Multiversum eine kompliziertere und weniger einfache Erklärung als die "Gott-Hypothese". Die Gotteshypothese erfordert die Annahme einer einzigen erklärenden Instanz, einer transzendenten Intelligenz, im Gegensatz zu der Vielzahl von Instanzen - einschließlich einer unendlichen Anzahl von separaten Universen und verschiedener Mechanismen zur Erzeugung von Universen -, die das Multiversum erfordert. Die These von einem Gott erfüllt also den Test von Ockhams berühmtem Rasiermesser, die These von den vielen Universen dagegen nicht.
3.2. Woher stammt der Multiversen-Mechanismus?
Zweitens gehen alle Vorschläge für ein Multiversum, sei es auf der Grundlage der "inflationären Kosmologie" oder der "Stringtheorie", von Mechanismen zur Erzeugung der Universen aus, welche ebenfalls eine vorherige, unerklärte Feinabstimmung erfordern. Der letztendliche Ursprung der Feinabstimmung wäre also immer noch ein Rätsel bleibt - und wieder wäre die Frage zurück, woher diese ultimative Feinabstimmung stammt.
Hier das Video, in welchem Swinburne dies sehr gut erklärt:
4. Wie Marvel das Problem gelöst hat
Ironischerweise scheinen die Leute von Marvel das Problem zu verstehen. Im Marvel-Universum gibt es eine gottähnliche Figur namens "Der Eine-über-Alles". Dieser ist Schöpfer aller miteinander verbundenen Universen im Multiversum.
Der Eine-über-Alles sieht und weiß alles – er hat auch die Fähigkeit, überall und überall gleichzeitig zu erscheinen und er existiert jenseits von Raum und Zeit. Mit so viel unbegrenzter Macht in seiner Reichweite gilt er als der mächtigste Charakter im Marvel-Universum. Er ist auch der überlegene Meister des kosmischen Aufsehers und Richters, der als Living Tribunal bekannt ist.
Doch viele moderne Wissenschaftler, die dem Atheismus oder Materialismus verhaftet sind, können möglicherweise diese Ideologien nicht mehr von der Wissenschaft selbst trennen. Darin liegt wohl der Grund für diese immer exotischeren Hypothesen. Neben dem Multiversum gehen zum Beispiel einige Wissenschaftler von einem außerirdischen Designer aus, um den digitalen Code in der DNA zu erklären. Andere vermuten, wir wären nichts weiter als die Simulation eines kosmischen Computerprogrammierers. All diese Ideen verschieben die Probleme, lösen sie aber nicht.
Diese spekulativen Hypothesen deuten auf die zunehmende Eigentümlichkeit des wissenschaftlichen Atheismus. Wissenschaftler greifen zu immer exotischeren Ideen, um Messungen zu erklären, die ansonsten eindeutig auf Gott oder ein höchstes Bewusstsein zu verweisen scheinen.
Was das Multiversum betrifft, ist also selbst Science-Fiction-Autoren klar, dass es, wenn es so etwas gibt, immer noch einen ultimativen Schöpfer braucht.
Vielleicht hilft naturwissenschaftlichen Atheisten ja der Kinobesuch, um diese Fragen neu zu überdenken?