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Wie ist der biblische Schöpfungsbericht zu verstehen?

Inhaltsverzeichnis:

Der Schöpfungsbericht in der Genesis ist und bleibt ein Text von ungeheurer Kraft und kultureller Prägnanz. Doch zugleich stellt er uns vor große Fragen: Ist dieser Bericht unwissenschaftlich, aber dennoch in irgendeiner Weise korrekt? Wie kann das sein, und wie sieht ein konstruktiver Umgang mit diesem Text aus?

Auf den ersten Blick spricht der Schöpfungstext eine Sprache, die mit den Modellen und Theorien moderner Naturwissenschaft nur schwer in Einklang zu bringen ist. Und ja, wenn Du ihn als Lehrbuch der Naturwissenschaft liest, werden Zweifel laut.

Doch die Bibel und die Wissenschaft müssen keine Feinde sein – es geht hier eher darum, den Text mit dem Verständnis seiner Zeit zu erforschen, also die westliche moderne Brille abzunehmen und dem Text so ernst zu nehmen, wie es ihm gebührt. Inklusive des Bewusstseins der damaligen Zeit und Kultur.

1. Schöpfungsbericht: Facetten des Glaubens

So treffen wir auf unterschiedliche Sichtweisen darüber, wie die Erzählung des Ursprungs zu interpretieren ist. Ein Blick auf die verschiedenen Facetten des Glaubens kann erhellend sein.- Was gibt's dabei so?:

  • Kurzzeit-Kreationismus: Diese Perspektive sieht das Universum als ein Ergebnis eines sechstägigen Schöpfungsakts, der vor weniger als 10.000 Jahren geschah – ein wörtliches Verständnis der Schöpfungsgeschichte.
  • Langzeitkreationismus: Hier wird die lange Geschichte des Universums anerkannt, doch man lehnt die Evolutionstheorie ab, betont jedoch den göttlichen Schöpfungsakt.
  • Evolutionärer Kreationismus: (theistische Evolution) - Gott und Evolution sind keine Gegensätze, stattdessen wird angenommen, dass Gott den Prozess der Evolution als ein Mittel zur Schöpfung verwendet hat.

Diese Perspektiven sind nicht einfach nur unterschiedliche Meinungen – sie stellen unterschiedliche Fragen an den Text und erwarten dementsprechend unterschiedliche Antworten. Haben wir aber etwas übersehen?

Interpretationen der Genesis

2. Das Weltbild der Antike versus die wissenschaftliche Sicht

Fragen wir uns einmal: Wo stößt unsere moderne wissenschaftliche Sicht an ihre Grenzen, wenn wir auf die antike Welt der Bibel blicken?

Die Antike hatte nämlich ein grundlegend anderes Verständnis von Kosmologie als unser heutiges. Unser heutiges Weltbild hingegen, geprägt durch Modelle wie Dunkle Materie und Dunkle Energie, könnte in kommenden Jahrhunderten dabei vielleicht ähnlich überholt wirken, wie heute das antike.

Die Kosmologie in Genesis 1 sollte möglicherweise nicht als bildliche Darstellung des Universums oder als wissenschaftlicher Bericht gelesen werden. Es ist stattdessen denkbar, dass sie als eine antike Kosmologie zu verstehen ist, die ein Weltbild ihrer Zeit vermittelt und weniger ein universelles naturwissenschaftliches Faktum.

Gottes Ziel war es möglicherweise, seine Botschaft in einem kulturellen Rahmen übermittelt, der den damaligen Menschen geläufig war. Das spricht übrigens für einen liebevollen Vater, wenn er auf dem Niveau kommuniziert, wie sein Kind gerade ist. Ein Professor wird seine 4 jährige Tochter auch nicht mit Formelsammlungen erschlagen (hoffentlich).

3. Herausforderungen für die Interpretation

Wir dürfen also weder den Schöpfungsbericht in grundsätzlich wissenschaftlicher Weise umschreiben wollen, noch sollten wir moderne wissenschaftliche Erkenntnisse per se über antike Texte stülpen wollen. Das würde nicht nur deren Bedeutung entstellen, sondern uns auch vom Verständnis ihrer eigentlichen Botschaft entfernen.

Um etwaige Missverständnisse auszuräumen, ist es hilfreich, diese drei Schlüsselfragen zu betrachten:

  1. Ist die Genesis eine Art von Herstellungsprotokoll oder intendiert sie vielmehr ein dahinterliegendes Konzept zu kommunizieren?
  2. Welches Selbstverständnis hat der Kosmos in der Hebräischen Bibel? Ist er Maschine, Königreich oder vielleicht Gottes Wohnsitz?
  3. Wie sieht Gottes Beziehung zum Kosmos aus, wirkt Er aus dem Inneren, oder von einer äußeren Position?

Indem wir diesen Fragen nachgehen, tauchen wir tiefer in das jüdische Denken der Antike ein. Dies eröffnet uns womöglich neue Wege der Bedeutungsfindung und Interpre­tation, die wieder nahbar und lehrreich für sämtliche Gläubige wie Skeptiker sein können.

3.1. Zwischen Glaube und Wissenschaft: Ein Weg durch die Landschaft biblischer Texte

Es geht im Endeffekt darum, dass sowohl eine sinnhafte Lesart der Schrift als auch ein Verständnis wissenschaftlicher Errungenschaften möglich sein sollte, ohne in Konflikt zu treten oder sich gegenseitig abzuwerten. Es bedarf dabei sowohl einer gewissenhaften Arbeit an den Texten als auch einer aufgeklärten Portion wissenschaftlichen Denkens und der Wertschätzung dafür, dass der Text für meine Beziehung zum Schöpfer wichtig ist.

In diesem Sinne werden wir im Verlauf der betrachteten Reihe versuchen, Schritt für Schritt, Aspekte des Textes der Genesis zu analysieren und sorgfältig zu bewerten, um so auf einem weiten und stimulierenden Diskurs zwischen Glaube und Wissenschaft zu verbleiben.

Wer tiefer einsteigen und John H. Waltons Ansichten weiter erkunden möchte, dem kann ich sein Werk "The Lost World of Genesis One: Ancient Cosmology and the Origins Debate" empfehlen. Das Wert durchdringt die tiefen Schichten des Textes, um eine Brücke zwischen antiker Weisheit und zeitgenössischer Einsicht zu bauen.

Ihr wollt weitere Schlüsseltexte zu diesem Thema studieren? Hier findet Ihr eine Reihe relevanter Publikationen: https://www.scholar.google.com/scholar?q=key+texts+on+creation+account+in+genesis