Engel faszinieren die Menschheit seit Jahrtausenden. Diese himmlischen Wesen dienen als Boten Gottes, Hüter des Glaubens und Kämpfer gegen das Böse. Welche Engel werden in der Bibel eigentlich namentlich erwähnt, und welche Geschichten ranken sich um sie? In unserem heutigen Artikel tauchen wir ein in die Welt der Engel, betrachten die Frage nach dem Erzengel Michael und seiner Identität, und werfen einen Blick auf die Apokryphen und ihre Bedeutung für unser Verständnis der Engel.
1. Die in der Bibel genannten Engel
In der Bibel werden einige Engel mit Namen genannt, darunter Michael, Gabriel und Raphael. Michael erscheint als Kämpfer und Beschützer in Büchern wie Daniel und der Offenbarung. Gabriel ist bekannt als der Bote, der Daniel und Maria wichtige Nachrichten überbringt. Raphael hingegen wird im apokryphen Buch Tobit (Tobit 12,15) als Heiler und Führer vorgestellt.
Man kennt übrigens noch mehr, welche nach und nach in der jüdischen Literatur der Antike mit auftauchen. Dazu gehören unter anderem Uriel, Raphael, Raguel, Sariel und Remiel ( und das sind bei weitem nicht alle namentlich erwähnten Engel - https://de.wikipedia.org/wiki/Erzengel).
Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen in der jüdischen Engelskunde des Zweiten Tempels ist die Benennung von Engeln. In der Bibel sind Michael und Gabriel die einzigen heiligen, himmlischen Diener Jahwes, die persönliche Namen tragen. Diese Zahl steigt in der Zeit des Zweiten Tempels an. Diese Neuerung ist auch allgemeiner Natur, da auch Engelsgruppen Namen erhalten. Michael S. Heiser, Angels: What the Bible Really Says about God's Heavenly Host (Bellingham, WA: Lexham Press, 2018), 93.
Gehen wir mal auf drei bekannte Engel etwas genauer ein...
1.1. Gabriel: Der göttliche Bote
Gabriel, dessen Name "Gott ist meine Stärke" bedeutet, ist vielleicht am bekanntesten als der Engel, der Maria die Geburt Jesu ankündigte (Lukas 1:19). Er erscheint als Gottes Bote, der wichtige Nachrichten an Gottes Auserwählte überbringt. In den biblischen Erzählungen tritt Gabriel auch dem Propheten Daniel gegenüber, um ihm Einsicht und Verständnis in seine Visionen zu geben (Daniel 8:16-27; Daniel 9:21-27).
Gabriels Erscheinungen sind oft mit Momenten großer Wendepunkte und göttlicher Eingriffe verbunden, die die Geschichte der Menschheit und ihren Glaubensweg prägen. Er ist nicht nur ein Überbringer göttlicher Botschaften, sondern auch ein Führer, der den Menschen hilft, Gottes Willen zu verstehen und danach zu handeln.
1.2. Raphael: Der göttliche Heiler
Raphael, dessen Name "Gott heilt" bedeutet, spielt eine zentrale Rolle im apokryphen Buch Tobit. Er reist inkognito mit Tobit's Sohn Tobias und heilt schließlich Tobits Blindheit sowie die dämonischen Leiden von Tobias' zukünftiger Frau, Sara. Raphael offenbart sich als "einer der sieben Engel, die vor der Herrlichkeit des Herrn treten" (Tobit 12:15), was seine hohe Stellung in der himmlischen Hierarchie unterstreicht.
Die Geschichten um Raphael betonen die Fürsorge und das Mitgefühl Gottes für die Menschen, manifestiert durch die heilende Präsenz und Intervention Raphaels in ihren Lebensgeschichten. Er verkörpert Gottes Wunsch, Heilung und Erlösung für seine Schöpfung zu bringen.
1.3. Michael: Der göttliche Beschützer
Michael, dessen Name "Wer ist wie Gott?" bedeutet, ist einer der herausragendsten Engel in den religiösen Schriften und wird oft als der Anführer der himmlischen Heerscharen beschrieben, die gegen die Mächte der Finsternis kämpfen. Er wird in Daniel als "einer der obersten Fürsten" und als Beschützer Israels genannt (Daniel 10:13, 21; Daniel 12:1). In der Offenbarung führt Michael die Engel im Kampf gegen den Drachen, eine Allegorie Satans, an und siegt (Offenbarung 12:7-9).
Michael steht für Gottes Gerechtigkeit und den unermüdlichen Kampf gegen das Böse. Seine Rolle als Beschützer erstreckt sich nicht nur auf das himmlische Reich, sondern auch auf die Gläubigen, für die er als mächtiger Fürsprecher und Verteidiger gegen spirituelle Bedrohungen wirkt.
1.4. Randnotiz: Was sind eigentlich die Apokryphen?
Die Apokryphen sind eine Sammlung jüdischer Schriften aus der Zeit zwischen dem Alten und dem Neuen Testament. Sie wurden in der griechischen Septuaginta, der Bibel der ersten Christen, aufgenommen, fielen aber später im rabbinischen Judentum in Ungnade.
Martin Luther übersetzte die Bibel ins Deutsche und legte dabei einen Kanon fest, der dem hebräischen Bibelkanon näher stand. Er ordnete die Apokryphen in einen separaten Abschnitt zwischen Altem und Neuem Testament ein und betrachtete sie als "nicht gleich den Heiligen Schriften, doch nützlich und gut zu lesen". Andere Reformbewegungen hatten da ähnliche Ansätze.
Im Gegensatz dazu bestätigte das Konzil von Trient (1545-1563) der römisch-katholischen Kirche den kanonischen Status der Apokryphen (die sie als "Deuterokanonische Bücher" bezeichnet). Damit setzte sie sich klar von den protestantischen Kirchen ab, die diese Schriften aus ihrem Bibelkanon ausschlossen oder ihnen einen niedrigeren Status zuwiesen. Man könnte hier noch viel über die Apokryphen schreiben - aber dazu vielleicht ein anderes Mal mehr. Auf jeden Fall kann man feststellen:
Die Apokryphen geben definitiv wertvolle Einblicke in das jüdische Denken und die Frömmigkeit zwischen den Testamenten.
2. Die Debatte um Michael und Jesus
Eine der spezielleren Fragen in der christlichen Engelologie betrifft die Identität des Erzengels Michael. Die Zeugen Jehovas vertreten die Ansicht, dass Michael eine andere Bezeichnung für Jesus Christus sei, bevor er auf die Erde kam und nach seiner Himmelfahrt. Diese Ansicht stützt sich auf verschiedene biblische Passagen, in denen Michael als "einer der obersten Fürsten" und als Heerführer im Kampf gegen das Böse beschrieben wird.
2.1. Argumente gegen die Gleichsetzung von Michael und Jesus
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Biblische Unterscheidungen: In der Bibel wird Michael nie explizit mit Jesus gleichgesetzt. Jesus wird als der Sohn Gottes, der Messias und der Erlöser der Menschheit dargestellt, während Michael einer der Erzengel ist. Die Rollen und Titel Jesu im Neuen Testament unterscheiden sich deutlich von denen Michaels.
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Theologische Bedenken: Die Gleichsetzung von Michael, einem Engel, mit Jesus, dem inkarnierten Sohn Gottes, wirft wichtige theologische Fragen auf. Die Einzigartigkeit der Person und des Werks Jesu Christi, wie sie im Neuen Testament dargestellt wird, steht im Widerspruch zu der Vorstellung, dass er lediglich ein Engel sei.
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Historische und exegetische Analysen: Gelehrte wie Michael S. Heiser haben darauf hingewiesen, dass die historischen und exegetischen Belege gegen eine direkte Identifikation von Michael mit Jesus sprechen. Die biblischen Texte selbst und ihr historischer Kontext unterstützen eine solche Gleichsetzung nicht. Der Begriff "einer der obersten Fürsten" im Bibelbuch Daniel widerspricht auch der Annahme, dass Michael ein anderer Name für Jesus wäre, da Jesu höchste, alleinige Autorität im Kolosser-Brief klargestellt wird. Auch wird in Daniel 8,25 noch ein Fürst der Fürsten erwähnt. Es wäre unlogisch anzunehmen, dass Jesus im Himmel unter der Autorität eines Engels steht!
Im Video gehe ich genauer auf die biblischen Belege dafür ein - schau dir gerne das Video an (oder höre den Podcast).
3. Was bedeutet das Ganze?
Die biblische Welt der Engel ist reich und vielfältig, voller Geschichten von Schutz, Kampf und Botschaften Gottes. Die namentlich genannten Engel wie Michael, Gabriel und Raphael haben jeweils ihre eigenen Rollen und Geschichten, die unsere Vorstellung von der himmlischen Ordnung bereichern. Die Apokryphen wiederum erweitern unser Wissen über die jüdische Welt, aus der das Christentum hervorging, und helfen uns, die Ursprünge unserer Glaubensvorstellungen besser zu verstehen.
Unsere Diskussion um die namentlich genannten Engel und ihre Bedeutung ist ein spannendes Beispiel dafür, wie religiöse Texte unterschiedlich interpretiert werden können. Es zeigt, dass Glaube und spirituelle Überzeugungen oft tiefgründiger und vielschichtiger sind, als es auf den ersten Blick scheint. Engel, ob als Botschafter, Beschützer oder Heiler, faszinieren jedenfalls Menschen auf der ganzen Welt und laden einen dazu ein, die Mysterien des Glaubens zu erkunden.
3.0.1. Quellen und weitere Literatur
- Michael S. Heiser, "Angels: What the Bible Really Says About God's Heavenly Host". Dieses Werk bietet eine detaillierte Untersuchung der biblischen Engel, einschließlich der Frage nach der Identität Michaels.
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- Lexikon zur Bibel: Personen, Geschichte, Archäologie, Geografie und Theologie der Bibel - https://amzn.to/3HEppYN
- https://de.wikipedia.org/wiki/Erzengel
- https://de.wikipedia.org/wiki/Buch_Tobit
- https://www.jw.org/de/bibliothek/buecher/was-lehrt-bibel-wirklich/wer-ist-der-erzengel-michael/
- https://de.wikisource.org/wiki/Henochbuch_(oder_Erster_Henoch)#54._Kapitel
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