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Kann das Jahr 1914 anhand der Bibel berechnet werden? (Wichtigste Lehre von Zeugen Jehovas - Teil 3)

Inhaltsverzeichnis:

Hier haben wir Teil 3 aus der Reihe "Was ist die wichtigste Lehre von Jehovas Zeugen". Die religiöse Leitung bei Zeugen Jehovas ist die "leitende Körperschaft" - auch "treuer & verständiger Sklave" genannt. Diese aktuell aus 8 Personen bestehende Gruppe spricht sich selber eine Ernennung direkt durch Jesus Christus zu. Wie in Teil 1 & 2 erklärt, müssen bestimmte Lehren biblisch korrekt sein, damit diese Behauptung stimmt. Dazu gehört, dass das Jahr 1914 in der Bibel vorausgesagt sein muss, da die Ernennung der Gruppe von diesem Jahr abhängt.

Hier findest du die gesamte Playlist

Wie kommt man nun aber auf das Jahr 1914? Ist diese Lehre wirklich logisch aus der Bibel abzuleiten? In diesem Video versuche ich Denkanstöße zu geben, um diese Lehre selber zu prüfen. Wichtig ist hierbei wieder eine Analyse der biblischen Texte, in diesem Fall aus Lukas 21 und Daniel 4.

1. Wie kommt die Leitung von Jehovas Zeugen auf die Berechnung zum Jahr 1914?

Kurz gesagt - sie verbinden in Lukas 21:24b mit dem Bericht in Daniel 4.

  • Luk 21:24b ...und Jerusalem wird von den anderen Völkern zertreten, bis die festgelegten Zeiten der anderen Völker abgelaufen sind. (NWÜ)
    Es wird behauptet, diese Aussage Jeus würde darauf beziehen, dass es seit dem Jahr 607 v.Chr. keinen von Jehova eingesetzten König mehr in Israel gab.

  • Der Bericht in Daniel 4 über Nebukadnezar, welcher "7 Zeiten" als König abgesetzt (mit Wahnsinn gestraft) und danach wieder eingesetzt wurde, wird als Zeitangabe ausgelegt, wie lange es keinen von Jehova eingesetzten König mehr geben würde. Nämlich 7 Zeiten. 

  • Und Offenbarung 12:6,14 wird dann genutzt, um diese 7 Zeiten als 2520 Jahre zu deuten.
    607 v.Chr. .... 2520 Jahre weiter ... 1914

Auf folgende Probleme der Auslegung gehe ich in dem Video genauer ein.

1.1. Probleme in der Auslegung in Lukas 21

  1. Die Grammatik: Jesus benutzt für die Deutung die falsche Zeitform: "wird zertreten werden". 
  2. Kontext: Es gibt keinen Hinweis, das Zertreten mit dem Fehlen eines Königs zu verbinden. In den Versen davor wird einfach die Eroberung Jerusalems beschrieben.
  3. Die Herrschaft Jesu: Würde das Zertreten wirklich mit der Herrschaft Jesu als König über das geistige Israel enden, wäre das schon 33 u.Z. der Fall gewesen nicht 1914. Diese neue Nation existierte bereits im 1. Jahrhundert.
  4. Das vermeintliche "Zertreten" wäre bereits einmal beendet gewesen: Der Text sagt "von den anderen Völkern" also irgendwelche Nachbarnationen. Fakt ist aber, dass von 165 bis 63 v.u.Z einen unabhängigen jüdischen Staat gab. Über 100 Jahre hinweg wurde Jerusalem als nicht von Nachbarnationen "zertreten". 
  5. Kein Hinweis auf Daniel: Hier gibt es keinen Hinweis die festgelegten Zeiten mit dem Buch Daniel zu verbinden! Ein Gegenbeispiel wäre Mat 24:15 "Wenn ihr also den abscheulichen Verwüster*, von dem der Prophet Daniel geredet hat..."

1.2. Probleme in der Auslegung in Daniel 4

  1. Die anderen Prophezeiungen in Daniel haben jeweils nur EINE Erfüllung
  2. Bei den anderen Prophezeiungen wird die Art der Erfüllung immer erklärt (Wechsel der Reiche)
  3. Wenn es um die Zeit des Endes geht - wird dies in den Prophezeiungen deutlich gesagt - nicht so in Daniel 4.
  4. Keine zeitliche sondern eine kausale Präposition in Dan 4:17 "damit die Lebenden erkennen,dass der Höchste der Herrscher über die Königreiche der Menschen ist+ und dass er die Herrschaft gibt, wem er will, und er sogar den niedrigsten der Menschen darüber regieren lässt."
    Das Erlebnis Nebukadnezars führt zur Erkenntnis eines Grundsatzes (kausal).
  5. Der heidnische Herrscher als Vorbild für Jehovas souveräne Herrschaft ist nicht passend.
  6. Eine vermeintliche prophetische Bedeutung wäre "zu spät", da ein Teil (das Zertreten / Zerstörung Jerusalems) schon erfüllt war.
  7. Es existiert weder ein übergeordneter Tag-Jahr Grundsatz noch wird diese Auslegung konsistent von der leitenden Körperschaft angewandt.

Den Punkt 7, welchen ich am am Ende des Videos erwähne, möchte ich hier gerne noch einmal aufgreifen und genauer erklären, was ich meine.

2. Kein Tag/Jahr-Grundsatz nötig

Der vermeintliche Grundsatz stützt sich auf bestimmte Verse in der Bibel, in welchen für spezielle Situationen ein Tag für ein Jahr angewandt wurde:

Hesekiel 4:5-6 Und ich werde 390 Tage über dich verhängen, entsprechend den Jahren ihrer Schuld,+ und du wirst die Schuld des Hauses Israel tragen, 6 bis die Zeit abgelaufen ist. Leg dich dann ein zweites Mal hin, auf deine rechte Seite, und trag 40 Tage lang die Schuld des Hauses Juda.+ Einen Tag für ein Jahr, einen Tag für ein Jahr habe ich für dich bestimmt. 

4. Mo 14:34 Entsprechend der Zahl der Tage, in denen ihr das Land ausgekundschaftet habt, 40 Tage,+ werdet ihr 40 Jahre+ die Folgen für eure Vergehen tragen — für jeden Tag ein Jahr, für jeden Tag ein Jahr. So werdet ihr erkennen, was es bedeutet, sich gegen mich zu stellen*

Es ist jedoch aus keinem der beiden Texte ein genereller Grundsatz für jegliche sonstigen biblischen Berechnungen zu erkennen. Die Anweisung ist nur für die jeweils spezielle Situation gedacht.

Tatsächlich wurde der Grundsatz laut Wikipedia erstmals im Jahr 380 n.Chr. von Ticonius formuliert. Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Day-year_principle. Der Autor Carl Olof Jonsson nennt mit Akiba Ben Joseph (ca. 50-132 n.Chr) eine frühere Quelle (Die Zeiten der Nationen näher betrachtet S.23). So oder so sind jedoch beide Daten als Grundlage für einen solchen "generellen Grundsatz" erst lange nach der Aufzeichnung des Bibelbuches Daniel zu finden.

Wenn man denkt, man bräuchte diesen Tag/Jahr-Grundsatz für die Berechnung aus Daniel 9, dann liegt man falsch. Dort wird das Erscheinen des Messias anhand von einer bestimmten Anzahl Wochen (70 Wochen) vorausgesagt. Erst wenn man diese Wochen als Zeitraum von 7 Jahren umrechnet, kommt man auf das Erscheinen des Messias.

2.1. Liegt hier nicht der Beleg für den Grundsatz: 1 Tag für 1 Jahr?

Nein. Bei den in Daniel 9 erwähnten 70 Wochen ist dieser „Grundsatz“ nicht nötig. Das hat mit dem Urtext zu tun – die Erklärung ist nicht von mir sondern von Bibelgelehrten – aber in einer Interlinear-Übersetzung leicht nachzuvollziehen.

Siehe auch: https://sbts-wordpress-uploads.s3.amazonaws.com/equip/uploads/2010/05/sbjt_v14_n1_gentry.pdf

In Daniel 9,24 steht in hebräisch "shibim shabua" = "siebzig Siebener"
daniel/9-24.htm" target="_blank" rel="noopener">https://biblehub.com/interlinear/daniel/9-24.htm

  • Laut Strongs Wörterbuch steht shabua für: "eine Periode von 7 (entweder 7 Tage oder 7 Jahre)."

Und woher weiß man nun, was hier gemeint war? Tag oder Jahr? Ganz einfach:

Demnach wird ein Tag-Jahr Grundsatz für die 70 Wochen nicht benötigt.

In Daniel. 9,24 steht im Urtext 70 Siebener = 490. Da das Wort "Tag" nicht hinzugefügt war, wusste der Leser zu Daniels Zeit, dass es sich um Jahre handeln muss. Aufgrund dieses offensichtlichen textlichen Zusammenhangs (und nicht wegen des "Jahr-Tag-Grundsatzes") kommt es auch dazu, dass in einigen Bibelübersetzungen in Daniel 9:24 "Jahrwochen" zu lesen ist.

Es ist also wichtig des Kontext der Bibel zu verwenden (hier den sprachlich-historischen), um die Bedeutung von Bibelpassagen zu verstehen. Andere Gelehrte und Sprachexperten bieten hier eine große Hilfe. Es ist wohl wenig zielführend, wenn man ausschließlich aus einer Quelle die Informationen zieht, um Bibelpassagen zu verstehen.

Als generelle Anregung hier noch zwei Tipps zu Portalen, welche Interlinear-Übersetzungen, Konkordanzen, Bibelkommentare usw. bieten: